Nein, ich bin nicht verschollen, gekidnapped worden, in den Unruhen in Bangkok untergegangen oder sonst wie abhanden gekommen. Allerdings sind einige ander unerwartet Dinge passiert, die mich davon abgehalten haben hier weiterzuschreiben. Ich war sehr viel unterwegs und habe zwischen dem 11. Januarar und dem 19. April nur 8 Naechte zu Hause im Longtermhouse geschlafen. Aber der Reihe nach.
Das Dezember Workcamp war wieder ein „Art and Creative“-Camp, wir haben also einen Kindergarten gestrichen und umdekoriert. Wir hatten vier internationale Freiwillige aus den USA, Wales, Belgien und Deutschland und einige Thai-Freiwillige. Vier weitere internationale Freiwillige hatten kurzfristig absagen muessen, weil der Flughafen in Bangkok genau zu der Zeit von den gelben Demonstranten besetzt gehalten wurde. Hier in HatYai haben wir aber auch nur ueber die Nachrichten etwas davon erfahren, in HatYai gab es keine Proteste oder Unruhen. Das besondere an dem Camp war, das Joe und ich das erste Mal wirklich das Kommando als Workcampleader uebernommen, und damit Belan abgloest haben, der nach dem Camp auch aufgehoert hat. Der Kindergarten hat von uns einen hellgruenen Anstrich bekommen, auf den wir dann eine blumige Wiesenwelt gemalt haben sowie jeder von uns etwas aus seinem Land in einen kleinen Extrabereich. Die Kinder hatten zu der Zeit frei, aber wir hatten sehr viel Kontakt mit den Lehrern und einigen Dorfbewohnern, die haeufig mal vorbei geschaut haben und am Ende eine sehr nette Abschiedsparty mit leckerem Essen und einer auf einem Lastwagen herangeschafften, riesigen Karaokeanlage organisiert haben. Eine weitere Besonderheit war noch der Hoehepunkt der Regenzeit, wodurch unser Kindergarten, in dem wir lebten, zu einer Insel wurde und zahlreiche Haeuser des Dorfes geflutet wurden. Ausserdem stand die Innenstadt von HatYai unter Wasser und auch in unserem Longtermhouse Dorf sind die anderen Longtermvolunteers (LTVs) mit den Kindern im Tempel schwimmen gewesen. Das viele Wasser ist allerdings auch sehr schnell wieder abgeflossen, so dass es keine groesseren Probleme gab.
Nach dem Workcamp ist Sofia Griechenland aus dem Longtermhouse ausgezogen um mit einer Freundin noch einen Monat durch Suedostasien zu reisen. Wir waren also noch drei Deutsche und Yuko aus Japan, was, glaube ich, besonders fuer Yuko nicht verstaendlicher Weise nicht immer ganz einfach war. In der folgenden Zeit hatte ich endlich die Gelegenheit, mich mehr in HatYai einzuleben und auch das Nachtleben zu erkunden, was hier doch etwas anders ist als in Deutschland. Ich versuche einmal ein wenig uber die Grundlagen aufzuklaeren: um sich zurecht zu finden, sollte man erstmal den Unterschied zwischen Bars und Pubs, die nicht das gleiche sind. Bars sind, aehnlich wie in Deutschland, zum Hinsetzen und sich mit Freunden bei meist alkoholischen Getraenken unterhalten. Dabei laufen immer mehrere Fernseher, die meist Fussballspiele der englischen Premierleague zeigen und es gibt fast immer eine Liveband, die je nach Bar englische oder thai Songs spielt. Ein Pub hingegen ist eher mit einer deutschen Diskothek zu vergleichen. Die Liveband spielt laute bekannte englische und thailaendische Musik die eigentlich zum Tanzen gedacht ist. Und auch in den Bandpausen legt der DJ Tanzmusik auf, das Problem, das dabei auftritt ist allerdings der akute Platzmangel. Die kompletten Raeumlichkeiten sind mit Stehtischen zugestellt, so dass man sich am Tisch stehend nur leicht zur Musik bewegen kann. Ausserdem behindern grosse Menschenmassen meistens den Bewegungsdrang. Zu trinken gibts in Pubs hauptsaechlich Whiskey-Mixgetraenke mit Cola oder Soda, im Gegensatz zu Bars, wo zum Grossteil eines der vier Thaibiersorten oder Cocktails getrunken werden. Der Vorteil von Whiskey ist, dass der fertige Mix vom Volumen her billiger ist als Bier und dass man sich seine eigene Flasche in den Pub mitbringen kann. Die Musik, die von den Bands gecovered wird, ist sehr viel besser als die Karaoke Musik, die man in den Bussen und Minivans haeufig ertragen muss, und wie ich finde auch manchmal besser als die Originale. Neben englischen und natuerlich Thaisongs ist hier uebrigens auch koreanische und japanische Musik sehr beliebt. Soweit so gut. Hier noch eine interessante Sache: nach dem Bar- oder Pubbesuch fahren die meisten Thai wieder mit ihren Motorcycles oder Autos nach Hause, egal wie viel sie getrunken haben, denn die Promillegrenze liegt hier ungefaehr bei 3 Promille oder so. Aber keine Angst, wir nehmen eigentlich immer ein Tuktuk um nach Hause zu kommen.
Weihnachststimmung oder so etwas in der Art kam hier ueberhaupt nicht auf, kein Wunder in einem buddhistisch-muslimischen Land. Nur im Zentrum von HatYai gab es „Weihnachtsschmuck“ an und in den Kaufhaeusern und Hotels. Es sieht allerdings ein bisschen albern aus, wenn da bei 25-30 Grad Eiszapfen und Schneeflocken rumhaengen und vor dem Eingang ein grosser goldener Tannenbaum und eine Weihnachtsmannfigur stehen, die englische Weihnachtslieder spielen. Es laesst sich allgemein sagen, dass es bei allem nur ums Komerzielle ging und praktisch alles von Amerika abgeschaut wurde. Wir LTVs sind dafuer mit Weihnachtsmuetzen im groessten Wasserfall hier in der Gegend schwimmen gewesen und sind ueber Weihnachten mit DaLaa nach Ko Tarutao, einer Insel im Andaman Meer gefahren um dort Weihnachten mir einer Gruppe von etwa 25 Leuten am Strand zu feiern. Auf dem Weg dahin sind wir ungefaehr 4 Stunden mit einem vollkommen ueberladenen Songteaw (die Pickup Busse hier) von Hat Yai nach Kok Payom, wo auch ein neues LTV-Projekt entstande ist, und von dort mit einem gemuetlichen Fischkutter gefahren. Wir haben dort ein paar Tage am Strand gezeltet und hatten einen „Sharing Market“ anstatt Bescherung. Dabei gibt man etwas Persoenliches mit einer Geschichte dahinter an jemand anderen weiter, der es gerne haben moechte. Es geht dabei nicht ums kaufen oder verkaufen sondern um das teilen von Dingen und Geschichten, die ja auch immer etwas ueber die jeweilige Person erfahren lassen.
Silvester und Neujahr haben wir mit Yui, einer Thaifreundin, in Songkhla, also an der anderen Kueste, ebenfalls am Strand gefeiert. Bis Mitternacht war auch alles ungefaehr so, wie man sich das vorstellen koennte. Wir haben am Strand gesessen, ein bisschen was getrunken, und auf der Uferpromenade gabs es massenhaft Essensstaende und andere Marktstaende und natuerlich laute Musik. Nach dem Countdown wurden um Mitternacht die Knaller und Raketen, die nicht schon in den Tagen zuvor losgegangen sind, abgefeuert. Sehr ueberraschend und etwas enttaeuschend fuer uns Farangs jedoch, was etwa fuenfzehn Minuten spaeter passierte: riesige Menschenmassen stroemten auf der Strasse am Ufer entlang, um so schnell wie moeglich nach Hause zu kommen und schlafen zu gehen. Wie ich dann herausfand lag das ganz einfach daran, dass Neujahr in Thailand ein Familienfest ist, das man eher ruhig mit seiner Familie feiert. Weihnachten im Gegensatz dazu sind die grossen Parties wo Thais zusammen mit ihren Freunden feiern. In Japan ist es uebrigens genauso. Es ist also genau umgekehrt wie bei uns in Deutschland. Den Rest des angebrochenen Abends haben wir bei Yui zu Hause eher ruhig verbracht.
Oh, ich hab noch was vergessen. Wir sind zwei Tage vor dem Christmastrip in unser neues Longtermhouse gezogen. Das war auch bitter noetig, denn es ist kein Vergnuegen mitten in der Regenzeit in einem total verschimmelten Haus mit loechrigem Dach zu wohnen. So gut wie alle Anziehsachen waren mit Schimmel besetzt und wurden auch gar nicht mehr trocken, weil die Feuchtigkeit halt ueberall war. Ausserdem hat das ganze Haus fuerchterlich gestunken und die obere Etage war nicht mehr bewohnbar, so dass es wirklich Zeit fuer einen Wechsel wurde. Das neue Haus ist zwar wesentlich kleiner mit zwei Schlafzimmern, einem grossen Wohnzimmer, Eingangsbereich mit Kueche und einem Badezimmer, typisch Thai. Aber es ist auch gemuetlicher, trocken, mitten im dorf und fuer drei Leute immer noch sehr gross. Und nachdem wir es gestrichen haben, sieht es jetzt sogar noch viel besser aus. Tim ist schliesslich auch kurz nach Neujahr nach Kok Payom gegangen um dort zusammen mit Michael, einem neu angekommenem Amerikaner, das neue Environment-Projekt zu starten.
Das „Creative English Teaching“ Workcamp im Januar mit 2 Koreanern, einer Schweizerin und einer Irin diesmal in einer bilingualen staatlichen Schule hat mir echt viel Spass gemacht und mich zwischenzeitlich sogar mit dem Lehrerberuf liebaeugeln lassen. Die Kinder im bilingualen Teil lernten einige Faecher in englischer Sprache von Philipino-Lehrerinnen und konnten dementsprechend auch ganz gut englisch sprechen. Wir konnten relativ anspruchsvollen Unterricht machen, obwohl die meisten Schueler juenger als beim letzten Mal waren, zwischen Kindergarten und 9.Klasse. Die Klassen waren mit 5 bis 20 Kindern aber auch sehr klein. Das Schoene war, dass wir eine sehr gute Beziehung zu Schuelern und Lehrern aufbauen konnten, weil wir eben nicht nur unterrichtet haben, sondern auch mit ihnen gekocht und Ausfluege gemacht haben, am letzten Tag sind wir sogar mit ungefaehr 50 Kindern ins Aqurium nach Songkhla gefahren. Im Anschluss ans Camp bin ich mit den Freiwilligen und zwei weiteren Koreanern noch fuer vier Tage nach Ko Lipeh gefahren, einer echten Paradiesinsel mit weissem Pudersandstrand, tuerkisem, kristallklarem Wasser und wunderschoenen Korallenriffen zum Schnorcheln drumherum. Es mir nur etwas zu viele Farangs (westliche Auslaender) da, und die Preise waren dem auch angepasst, aber der Rest war wie gesagt paradiesisch.
Danach gings auch schon sehr schnell weiter ins Februar Workcamp, Environment und English Teaching in einem kleinen muslimischen Fischerdorf an der Westkueste. Dort haben wir mit vier Koreanern, 2 Japanerinnen, einer Hollaenderin und einer Polin erst eine Woche Englisch unterrichtet und dann eine Woche Umweltprojekte durchgefuehrt. Das englisch unterrichten war wieder echter Basisunterricht in einer sehr kleinen Schule neben der wir gewohnt haben. dadurch waren praktisch immer Kinder in der Naehe mit denen wir auch nachmittags Spiele spielen oder uns die Umgebung zeigen lassen konnten. In diesem Workcamp haben wir das erste Mal einen anderthalb taegigen Homestay ausprobiert, bei dem jeder Freiwillige alleinn in einer Familie untergebracht wurde um der Thaikultur naeher zu kommen. Auch ich war in einer Familie und es war wirklich eine sehr schoene Erfahrung hier innerhalb einer Familie zu leben. Ausserdem haben wir in der zweiten Woche mit dem gesamten Dorf Muell gesammelt, Mongroven Baeume gepflanzt eun eine kleine Ausstellung vorbereitet. Besonders das Muellsammeln hat mal wieder gezeigt, wie wenig sich die meisten Thais um ihre Umwelt kuemmern. Es liegt ueberall Muell rum, da jeder einfach alles, was man nicht mehr braucht, in die Landschaft wirft. Das liegt zum einen daran, dass es vielen egal ist wie es in ihrer Umgebung aussieht, solange der Muell nicht direkt vorm Haus liegt. Ein anderer Grund ist, denke ich, die in Thailand weit verbreitete Scheu vor Arbeit, die keinen Spass macht, da man den Muell ja irgendwo hinbringen muesste, wo er abgeholt wird. Im Fall dieses Dorfes war das eine echte Schwierigkeit, da es dort keine Muellabfuhr oder ein anderes Beseitigungssystem gibt, ausser den Muell anzuhaeufen und von Zeit zu Zeit anzuzuenden. Das machen die Leute aber sogar bei uns im Longtermhousedorf, wo es eine Muellabfuhr gibt. Und desweiteren kennen viele einfach nicht den Unterschied zwischen biologisch abbaubarem Muell und kuenstlich hergestellten Stoffen. Es ist auch gar nicht so einfach zu erklaeren warum man Bananenblaetter oder Orangenschalen ruhig in die Natur werfen kann und Chipstueten nicht. Beides sind schliesslich Verpackungen von Lebensmitteln und man konnte doch schon immer alles, was man nicht mehr brauchte in die Gegend werfen. Und in wiefern soll es denn der Natur schaden? Wir fangen immer noch genug Fische und die Baeume wachsen doch auch noch. Die Hersteller und Supermarktketten ueberfluten einfach das gesamte Land mit Muell, indem sie uebergrosse nicht organische Verpackungen fuer ihre Produkte verwenden, aber weder ein Beseitigungssystem aufbauen, noch die Bevoelkerung in irgendeiner Weise darueber aufklaeren, das diese Verpackungen der Umwelt und letztlich auch dem Menschen schaden. Das kann echt deprimierend sein, wenn man zu viel drueber nachdenkt. Ich mein, wir haben aehnliche Dinge doch auch in unserer „modernen“ westlichen Welt. Wir fahren unnoetig grosse, fossile Rohstoffe fressende und allgemein zu viele Autos, produzieren Energie mit Kohle, Gas und Nuklearbrennstoffen, benutzen Flugzeuge selbst fuer kurze Strecken, kaufen rind aus Argentinien, Lamm aus Neu Seeland, benutzen auch ultraviele Plastiksachen. Und selbst wenn man erkannt hat, das etwas nicht gut ist, heisst es ja noch lange nicht, dass man damit aufhoert. Bestes Beispiel: 22 Millionen Raucher in Deutschland.
So gut jetzt. Fortsetzung folgt sehr bald. Fotos auch.
Neueste Kommentare